Biodiversität im Obstbau
Die Biodiversität umfasst die Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten, ihre Lebensräume sowie die Wechselwirkungen zwischen ihnen. In Obstanlagen trägt eine hohe biologische Vielfalt entscheidend dazu bei, Ökosystemleistungen wie Bestäubung, natürliche Schädlingsregulation, Bodenfruchtbarkeit und Nährstoffkreisläufe dauerhaft zu sichern. Gleichzeitig stärkt sie die Resilienz der Produktionssysteme gegenüber biotischen und abiotischen Stressfaktoren, beispielsweise durch Schaderreger, Trockenperioden oder extreme Wetterereignisse.
Die Förderung der Biodiversität im Obstbau erfolgt durch gezielte Maßnahmen, die Produktionsflächen mit ökologisch wertvollen Strukturen verknüpfen. Dazu gehören unter anderem Blühstreifen, Hecken, Nützlingshabitate, extensiv gepflegte Wiesenflächen sowie die Integration vielfältiger Baum- und Straucharten in die Anlage. Diese Elemente erweitern nicht nur das Nahrungs- und Lebensraumangebot für Bestäuber, Vögel und Nützlinge, sondern tragen auch zur landschaftlichen Aufwertung und Akzeptanz des Obstbaus in der Kulturlandschaft bei.
Blühstreifen stellen im Erwerbsobstbau ein wichtiges Gestaltungselement dar, das sowohl produktionstechnische als auch ökologische Vorteile bietet. Sie werden gezielt aus ein- oder mehrjährigen, artenreichen Saatmischungen etabliert, um während der Vegetationsperiode eine kontinuierliche Blüte und damit ein vielfältiges Nahrungsangebot für Bestäuberinsekten und andere Nützlinge bereitzustellen. Durch die Förderung von Wildbienen, Schwebfliegen oder räuberischen Käfern tragen Blühstreifen unmittelbar zur Bestäubung der Obstkulturen und zur biologischen Regulierung von Schaderregern bei. Gleichzeitig stärken sie die ökologische Vernetzung innerhalb der Kulturlandschaft.
Der Aufbau von Blühstreifen erfolgt in der Regel als linien- oder streifenförmige Einsaat an den Rändern von Obstanlagen oder auf brachliegenden Teilflächen. Dabei werden standortangepasste Saatmischungen mit hoher Artenvielfalt bevorzugt, die sowohl früh- als auch spätblühende Arten enthalten. Häufig zum Einsatz kommen Kultur- und Wildarten wie Buchweizen, Phacelia, Malven, Ringelblumen oder Koriander, die sich durch eine gute Bodenanpassung und lange Blühdauer auszeichnen. Ergänzt werden diese Arten durch heimische Wildblumen, die den Insekten ein breites Pollen- und Nektarspektrum bieten.
In der Bewirtschaftung sind Blühstreifen flexibel handhabbar. Sie können jährlich erneuert oder als mehrjährige Bestände über mehrere Vegetationsperioden erhalten werden. Ein abgestufter Schnitt oder eine partielle Mahd ermöglicht es, die Blühdauer zu verlängern und die Ansiedlung von Insektenpopulationen nachhaltig zu unterstützen. Neben der ökologischen Funktion bieten Blühstreifen zusätzliche Vorteile, indem sie die Erosionsanfälligkeit mindern und durch die Förderung von Nützlingen den Pflanzenschutzaufwand in Obstanlagen verringern können.
Auf Versuchsflächen des LfULG in Dresden-Pillnitz werden seit 2025 im Rahmen des Projektes FUBIOO spezielle Blühstreifen zur offenen Nützlingszucht im Obstbau etabliert. Diese setzen sich aus einem Blühpflanzenstreifen sowie einem angrenzenden Getreidestreifen zusammen. Der Getreidestreifen dient als Lebensraum für verschiedene Getreideläuse, die insbesondere im zeitigen Frühjahr als frühe Nahrungsquelle für Nützlinge zur Verfügung stehen. Ziel dieses Ansatzes ist es, wichtige Gegenspieler von Schaderregern bereits vor dem Auftreten erster Obstbauschädlinge im Bestand zu fördern und als eine Art »stehendes Heer« (standing army) in der Anlage zu etablieren. Auf diese Weise sollen Nützlinge frühzeitig angefüttert und in der Obstanlage gehalten werden, sodass sie bei Schädlingsauftreten sofort in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen.
FUBIOO - Gartenbau - sachsen.de
Mäuse stellen im Erwerbsobstbau ein erhebliches Schadpotenzial dar. Durch ihren Fraß an Wurzeln und Stammgrund werden Obstbäume geschwächt, in ihrer Vitalität stark beeinträchtigt oder sterben vollständig ab. Neben der herkömmlichen Bekämpfungsmaßnahme mit Rodentiziden können die natürlichen Gegenspieler der Mäuse gefördert werden.
Der Rotfuchs (Vulpes vulpes) gilt als einer der effektivsten Mäuseprädatoren. In Obstanlagen fehlen jedoch oftmals geeignete Strukturen für die Anlage eines natürlichen Baus. Hier können künstliche Fuchsbaue einen wichtigen Beitrag leisten, um die Ansiedlung zu unterstützen. Diese bestehen in der Regel aus einer zentralen Betonkammer, die über ein rund zehn Meter langes Betonrohr mit der Oberfläche verbunden ist. Durch diese Bauweise wird ein geschützter Rückzugs- und Aufzuchtort geschaffen, der den artspezifischen Ansprüchen des Fuchses entspricht.
Auf Versuchsflächen in Dresden-Pillnitz wurde im Sommer 2024 im Rahem des Projektes FUBIOO ein künstlicher Fuchsbau installiert. Bereits im Mai 2025 konnte dort ein erster Wurf mit acht Welpen nachgewiesen werden. Lesen Sie dazu gern hier mehr:
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Nisthilfen stellen eine wertvolle Erweiterung des Lebensraums für verschiedene Vogelarten dar.
Singvögel wie die Kohlmeise (Parus major), Blau- und Tannenmeise (Cyanistes caeruleus, Periparus ater) sowie der Gartenrotschwanz (Phoenicurus phoenicurus) haben wichtige Funktionen, indem sie Schadinsekten – darunter Blattläuse, Wickler und andere Larven – fressen und so den Pflanzenschutz in den anlagen auf natürliche Weise unterstützen.
Klassische Hecke
Klassische Hecken stellen im Erwerbsobstbau ein wesentliches Strukturelement dar, das sowohl ökologisch von hoher Bedeutung ist. Sie fungieren als Windschutzstreifen, reduzieren dadurch Erosion und beugen mechanischen Schäden an Bäumen und Früchten vor. Zudem tragen sie zur Regulierung des Kleinklimas in Obstanlagen bei, indem sie Temperaturschwankungen abmildern und die Luftfeuchtigkeit stabilisieren. Ein weiterer zentraler Nutzen liegt in der Förderung der Biodiversität: Hecken bieten Lebensraum und sind Nahrungsquelle und Rückzugsort für zahlreiche Insekten, Vögel und Kleinsäuger, die wiederum als Bestäuber oder Nützlinge im Pflanzenschutz fungieren können. Auf diese Weise unterstützen sie eine nachhaltige und ressourcenschonende Bewirtschaftung.
Der klassische Aufbau einer Hecke folgt in der Regel einem gestuften Prinzip. Straucharten wie Hasel, Hartriegel oder Liguster bilden die untere bis mittlere Schicht, während hochwüchsige Gehölze wie Wildkirsche oder Feldahorn eine obere Schicht ausbilden. Durch diese Staffelung entstehen vielfältige Strukturen, die unterschiedliche ökologische Nischen bereitstellen. Ergänzt wird die Artenvielfalt häufig durch krautige Säume, die als Übergangsbereich zur angrenzenden Nutzfläche eine zusätzliche ökologische Funktion übernehmen. Bei der Artenwahl ist jedoch besondere Sorgfalt geboten: Auf die Verwendung von Feuerbrandwirtspflanzen wie Weißdorn (Crataegus) sollte im unmittelbaren Umfeld von Obstanlagen verzichtet werden, um das Risiko einer Ausbreitung dieser gefährlichen Bakterienkrankheit auf Kulturäpfel oder Birnen zu minimieren.
Rechtlich genießen Hecken in Sachsen, wie auch bundesweit, besonderen Schutz. Nach § 39 Bundesnaturschutzgesetz ist das Entfernen, Zerstören oder wesentliche Beeinträchtigen von Hecken grundsätzlich untersagt. Eine Beseitigung oder erhebliche Veränderung ist nur in begründeten Ausnahmefällen und unter Genehmigung der zuständigen Naturschutzbehörde zulässig. Pflegemaßnahmen wie der Rückschnitt sind ausschließlich in der Zeit vom 1. Oktober bis 28. Februar erlaubt, um die Fortpflanzung von Vögeln und anderen Tierarten nicht zu gefährden.
Damit stellen klassische Hecken im Obstbau nicht nur wertvolle Strukturelemente der Kulturlandschaft dar, sondern tragen maßgeblich zu einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Produktion, Ökologie und Landschaftsschutz bei.
Nutzhecke
Eine Nutzhecke ist im Gegensatz zur klassischen Landschafts- oder Schutzhecke gezielt mit Kulturpflanzen angelegt, die dem unmittelbaren Ertrag oder der betrieblichen Nutzung dienen. Sie vereint also die Funktion eines Heckenstreifens mit der Produktion von marktfähigen Früchten, Nüssen oder anderen pflanzlichen Erzeugnissen. Typische Gehölze in Nutzhecken sind beispielsweise Haselnuss (Corylus avellana), Aronia (Aronia melanocarpa), Holunder (Sambucus nigra), Johannis- und Stachelbeeren (Ribes-Arten) oder auch Schlehe in ausgewählten Sorten. In jüngerer Zeit gewinnen zudem alternative Obstarten wie Felsenbirne (Amelanchier), Kornelkirsche (Cornus mas) oder Sanddorn (Hippophaë rhamnoides) an Bedeutung, da sie einerseits eine ökologische Diversifizierung ermöglichen und andererseits zur Produktentwicklung im Bereich regionaler Spezialitäten beitragen.
Der Aufbau einer Nutzhecke folgt in der Regel einem linearen Pflanzschema, das eine effiziente Bewirtschaftung, Ernte und Pflege erlaubt. Anders als bei gestuften Schutzhecken mit mehreren Schichten wird hier meist eine ein- bis zweireihige Struktur gewählt. Die Pflanzenabstände orientieren sich an den jeweiligen Kulturansprüchen, wobei eine mechanisierte Pflege und Ernte in vielen Fällen mit eingeplant wird. Begleitvegetation und krautige Säume spielen eine untergeordnete Rolle, da der Fokus auf einer gleichmäßigen Bestandesentwicklung und einer guten Zugänglichkeit liegt. Gleichwohl können Nutzhecken so gestaltet werden, dass sie zusätzliche Habitatfunktionen erfüllen, indem gezielt blühende Sträucher integriert oder Blühstreifen angrenzend angelegt werden.
Rechtlich fallen Nutzhecken nicht unter den besonderen Biotopschutz des § 39 Bundesnaturschutzgesetz, da es sich nicht um naturschutzrechtlich geschützte Heckenstrukturen, sondern um erwerbsmäßig genutzte Kulturpflanzungen handelt. Sie werden daher als landwirtschaftliche Dauerkultur eingestuft. Dies ermöglicht eine flexible Gestaltung, Umnutzung oder auch Rodung ohne naturschutzrechtliche Genehmigung, solange keine weiteren Schutzstatusebenen – beispielsweise durch Landschaftsschutzgebiete – greifen.
Kurzumtriebshecke
Kurzumtriebsplantagen (KUP) sind landwirtschaftlich genutzte Flächen, auf denen schnellwachsende Gehölze wie Pappeln oder Weiden im mehrjährigen Turnus geerntet werden. Neben der klassischen Anlage in Blockform können KUP auch streifenförmig kultiviert werden. Diese Form der Bewirtschaftung vereint die ökologischen Funktionen einer Hecke mit der Möglichkeit einer regelmäßigen Holzernte und stellt damit eine besonders nachhaltige und multifunktionale Nutzungsform dar.
In Mitteleuropa haben sich vor allem zwei Gehölzgruppen bewährt: Pappeln (Populus-Arten und -Hybriden) sowie Weiden (Salix-Arten und -Hybriden). Beide zeichnen sich durch sehr hohe Zuwachsraten, eine unkomplizierte vegetative Vermehrung und eine ausgeprägte Fähigkeit zum Stockausschlag aus. Während Weiden besonders auf feuchten Standorten und bei kurzen Umtriebszeiten von drei bis fünf Jahren eingesetzt werden, eignen sich Pappeln aufgrund ihrer hohen Wuchsleistung vor allem für nährstoffreiche Böden mit mittleren bis längeren Umtriebszeiten von bis zu zehn Jahren. Die Wahl der Art richtet sich nach den Standortbedingungen und der geplanten Nutzung: Kurze Umtriebszeiten liefern feines Energieholz für die Hackschnitzelproduktion, längere Umtriebe können auch stärkere Dimensionen für stoffliche Verwendungen hervorbringen.
Auf den Versuchsflächen des LfULG in Dresden-Pillnitz wurde eine solche streifenförmige KUP mit den Pappelhybriden Max 3 und Hybride 275, die in jeweils zwei Reihen auf einem sechs Meter breiten Heckenstreifen gepflanzt wurden, angelegt. Damit entsteht eine Heckenstruktur, die einerseits die typischen Funktionen einer Hecke – Windschutz, Strukturvielfalt, Lebensraum für zahlreiche Tierarten – erfüllt und andererseits eine regelmäßige Holzernte ermöglicht.
Streifenförmige KUP verbinden somit ökologische Aufwertung und ökonomische Nutzung. Sie tragen zur Förderung der Biodiversität, zur Stabilisierung des Agrarökosystems und gleichzeitig zur Produktion von nachwachsendem Rohstoff bei.
Hecken bis maximal 10 m Länge
Klassische Hecken mit einer Länge von bis zu 10 Metern nehmen im rechtlichen und fachlichen Kontext eine Sonderstellung ein. Im Unterschied zu großflächigen Heckenstrukturen, die in der Kulturlandschaft eine wesentliche ökologische Funktion erfüllen, gelten kurze Heckenabschnitte nicht als besonders geschützte Biotope. Auch der allgemeine Schutz nach § 39 betrifft sie in der Regel nicht, da die gesetzliche Definition von Hecken eine gewisse Mindestlänge voraussetzt. Dadurch werden Hecken unterhalb dieser Schwelle formal nicht als naturschutzfachlich relevantes Landschaftselement eingeordnet.
Aus praktischer Sicht bieten die kurzen Heckenabschnitte dennoch eine Vielzahl von Nistmöglichkeiten für Vögel, Nahrung und Deckung für Kleinsäuger sowie Pollen- und Nektarquellen für Insekten. Damit tragen auch diese Strukturen in begrenztem Umfang zur Förderung der Biodiversität bei.
Der Aufbau kurzer Hecken entspricht grundsätzlich dem klassischer Hecken: Sie können ein- oder zweireihig angelegt sein und aus Sträuchern wie Hasel, Hartriegel oder Liguster bestehen, teils ergänzt durch hochwüchsigere Einzelgehölze. Allerdings ist aufgrund der beschränkten Länge die Ausbildung einer gestuften Schichtung in ökologisch relevanter Ausprägung nur eingeschränkt möglich.
In der gartenbaulichen und landwirtschaftlichen Praxis bedeutet diese rechtliche Sonderstellung, dass Hecken bis 10 Meter Länge flexibler gehandhabt werden können, etwa bei Umgestaltung, Rodung oder Neuanlage. Gleichwohl empfiehlt es sich, ihre ökologische Funktion bei Planungen und Pflegearbeiten mitzuberücksichtigen, da selbst kleinräumige Strukturelemente wichtige Vernetzungsfunktionen im Landschaftsgefüge übernehmen können.
Ankerpflanzen am Hagelschutznetz stellen ein innovatives Element zur ökologischen Aufwertung von Obstanlagen dar. Sie werden gezielt an den Pfostenreihen oder Netzaufhängungen etabliert und dienen dazu, zusätzliche Nahrungs- und Lebensräume für Bestäuber und Nützlinge zu schaffen, ohne die Produktionsfläche wesentlich einzuschränken. Auf diese Weise tragen sie zur Förderung der Biodiversität innerhalb der Kulturen bei und unterstützen gleichzeitig die natürliche Regulierung von Schaderregern.
Für die Bepflanzung eignen sich insbesondere kompakt wachsende, blühfreudige Sträucher und Kletterpflanzen, die ein kontinuierliches Blütenangebot bereitstellen. Beispiele sind verschiedene Arten des Geißblatts (Lonicera), Wildrosen (außer Apfelrose), Heckenkirsche oder Kletterpflanzen wie Waldrebe (Clematis vitalba). Bei der Auswahl ist unbedingt darauf zu achten, auf Feuerbrandwirtspflanzen zu verzichten. Arten wie Weißdorn (Crataegus) oder Apfelrosen (Rosa rugosa) sind im Umfeld von Kernobstanlagen ungeeignet, da sie als Reservoir für den Erreger Erwinia amylovora fungieren und ein hohes Infektionsrisiko darstellen.
Der Nutzen von Ankerpflanzen am Hagelschutznetz ist vielfältig. Zum einen verbessern sie die Nahrungsverfügbarkeit für Bestäuberinsekten in Zeiträumen, in denen die Obstkulturen selbst keine Blüten tragen. Zum anderen bieten sie Nützlingen wie Marienkäfern, Florfliegen oder Spinnen Rückzugsorte und Überwinterungsmöglichkeiten. Dadurch wird die Stabilität des ökologischen Gleichgewichts in den Anlagen gefördert, was langfristig den Pflanzenschutzaufwand reduzieren kann. Zusätzlich tragen Ankerpflanzen zu einer stärkeren landschaftlichen Einbindung der Hagelschutzkonstruktionen bei, indem sie deren technische Wirkung optisch auflockern.
Kontakt
Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie
Referat Obst-, Gemüse- und Weinbau
Harald Rank
Telefon: 0351 2612-8716
E-Mail: Harald.Rank@lfulg.sachsen.de
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Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie
Referat Obst-, Gemüse- und Weinbau
Alexander Richter
Telefon: 0351 2612-8719